Mehrwertsteuer bzw. Umsatzsteuer als Schadensposition
Verkehrsunfall - Erstattung oder Abzug von Mehrwertsteuer bei konkreter und fiktiver Schadensberechnung eines Totalschadens. Zur Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Berechnung von Schadenersatzleistungen im Rahmen von Verkehrsunfällen.
1) Allgemeines
Für Schäden nach dem 31.07.2002 ist gemäß § 249 (2) S. 2 BGB n. F. Umsatzsteuer nur dann zu erstatten, soweit und wenn sie tatsächlich angefallen ist. Dies gilt nicht nur für den Fall der Reparatur eines Fahrzeuges, sondern auch für den Fall der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges (Urteil BGH vom 20.04.2004 - VI ZR 109/03).
2) Abrechnung auf fiktiver Basis:
2.1) Soweit eine fiktive Abrechnung auf Reparaturkostenbasis zulässig ist, sind die Reparaturkosten netto erstattungsfähig, also ohne den im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag.
2.2) Im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens scheidet eine fiktive Abrechnung auf Reparaturkostenbasis regelmässig aus. In Betracht kommt in diesen Fällen allenfalls eine fiktive Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis. Dabei wird eine im Wiederbeschaffungswert eventuell enthaltene Umsatzsteuer in Abzug gebracht. Ausschlaggebend für die Ermittlung der Höhe des Umsatzsteueranteiles ist dabei ausschließlich, wie das Fahrzeug überwiegend auf dem regionalen Markt des Geschädigten angeboten und gehandelt wird. Auf anderweitig existierende Erwerbsmöglichkeiten ist nicht abzustellen (Urteil BGH vom 09.05.2006 - VI ZR 225/05).
Demgemäß sind hier folgende Fälle denkbar:
a) Das Fahrzeug wird überwiegend privat angeboten; der Wiederbeschaffungswert wird nicht um einen Umsatzsteueranteil gekürzt.
b) Das Fahrzeug wird überwiegend gewerblich mit dem Regelsteuersatz angeboten; der Wiederbeschaffungswert wird um den darin enthaltenen Regelsteuersatz von derzeit 19 % gekürzt.
c) Das Fahrzeug wird überwiegend gewerblich mit Differenzbesteuerung angeboten; der Wiederbeschaffungswert wird um den darin enthaltenen Differenzsteuersatz von überlicherweise 2 % gekürzt.
3) Abrechnung auf konkreter Basis:
Im Fall eines wirtschaftlichen Totalschadens kommt einerseits eine Abrechnung auf Basis der tatsächlich angefallenen Kosten der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges oder andererseits unter bestimmten Bedingungen eine Abrechnung auf Basis tatsächlich angefallener Reparaturkosten in Betracht. Vorausgesetzt der Geschädigte ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt, gehört die tatsächlich gezahlte und ausgewiesene Umsatzsteuer zum erstattungsfähigen Schaden.
3.1) Bei einer vollständigen oder zulässigen teilweisen Reparatur sind keine Besonderheiten ersichtlich. Ausschlaggebend ist die in den jeweiligen Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer.
3.2) Im Falle der Wiederbeschaffung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeuges ist alleine ausschlaggebend, ob eine Ersatzbeschaffung in Höhe des Brutto-Wiederbeschaffungswertes tatsächlich stattgefunden hat. Auf die Frage, ob und in welcher Höhe in dem im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Brutto-Wiederbeschaffungswert Umsatzsteuer enthalten ist, kommt es in diesen Fällen nicht an (Urteil BGH vom 09.05.2006 - VI ZR 225/05). Die Höhe des Brutto-Wiederbeschaffungswertes begrenzt jedoch in jedem Falle die Höhe der Schadensersatzleistung. Anders formuliert ist eine Mischung von fiktiver und konkreter Abrechnung nicht zulässig.
Dazu folgende Fälle:
a) Ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug für das totalgeschädigte Fahrzeug wird nach Sachverständigengutachten überwiegend differenzbesteuert angeboten. Der Geschädigte erwirbt ein Ersatzfahrzeug zum vom Sachverständigen ermittelten Brutto-Wiederbeschaffungswert. Der Händler weist in der Rechnung den Mehrwertsteuersatz nicht aus. Ausgehend vom Nettowert, den der Sachverständige ermittelt hat, verlangt der Geschädigte Zahlung der nach Regelbesteuerung auf den vom Sachverständigen ermittelten Nettopreis anfallenden Mehrwertsteuer.
Der Anspruch scheitert. Es liegt eine gemischte fiktiv-konkrete und damit unzulässige Abrechnung vor. Soweit der Kläger eine Wiederbeschaffung in Höhe des Brutto-Wiederbeschaffungswertes nachgewiesen hat, erhält er den Brutto-Wiederbeschaffungswert ersetzt. Soweit er darüber hinaus einen Mehrwertsteuerbetrag geltend macht, liegt eine fiktive Abrechnung vor. Da dieser Mehrwertsteuerbetrag tatsächlich nicht angefallen ist, kann er auch keine Erstattung verlangen (Urteil BGH vom 18.05.2004 - VI ZR 267/03).
b) Ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug für das totalgeschädigte Fahrzeug wird nach Angaben des Sachverständigen überwiegend differenzbesteuert gehandelt. Der Geschädigte erwirbt zu dem vom Sachverständigen ermittelten Netto-Wiederbeschaffungswert ein Ersatzfahrzeug zzgl. Umsatzsteuer mit Regelsteuersatz. Der Geschädigte verlangt die von ihm bezahlte und den Brutto-Wiederbeschaffungswert des Sachverständigen übersteigende Mehrwertsteuer.
Der Anspruch ist nicht begründet, da der vom Sachverständigen ermittelte Brutto-Wiederbeschaffungswert die Höhe der Schadensersatzleistung begrenzt (Urteil BGH vom 15.11.2005 - VI ZR 26/05).
c) Ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug für das totalgeschädigte Fahrzeug wird nach den Angaben des Sachverständigen überwiegend regelbesteuert angeboten. Der Geschädigte kauft ein Ersatzfahrzeug von privat ohne Umsatzsteuer. Der Kaufpreis entspricht dem vom Sachverständigen ermittelten Brutto-Wiederbeschaffungswert. Die Versicherung verweigert Zahlung der im Brutto-Wiederbeschaffungswert enthaltenen Umsatzsteuer.
Der Geschädigte verlangt zu Recht Zahlung der vom Sachverständigen ermittelten Umsatzsteuer. Es kommt nicht darauf an, ob in dem Kaufpreis für das Ersatzfahrzeug tatsächlich Umsatzsteuer enthalten ist oder nicht. Entscheidend ist alleine, ob der Geschädigte zum Brutto-Wiederbeschaffungswert eine Ersatzbeschaffung tatsächlich vorgenommen hat (Urteil BGH vom 09.05.2006 - VI ZR 225/05).
d) Ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug für das totalgeschädigte Fahrzeug wird nach Angaben des Sachverständigen überwiegend regelbesteuert angeboten. Der Geschädigte kauft ein Ersatzfahrzeug zum Netto-Wiederbeschaffungswert bei einem Händler zzgl. Umsatzsteuer mit lediglich dem Differenzsteuersatz. Der Geschädigte verlangt auch Ersatz der vom Sachverständigen ausgewiesenen Regelsteuer.
Die Forderung des Geschädigten ist unbegründet. Es liegt eine unzulässige gemischte fiktiv-konkrete Abrechnung vor. Soweit der Geschädigte nachweist, daß er tatsächlich eine Ersatzbeschaffung in Höhe des Netto-Wiederbeschaffungswertes zzgl. des Differenzsteuersatzes durchgeführt hat, wird ihm dieser Betrag erstattet. Soweit er eine darüber hinausgehende Erstattung verlangt, liegt eine unzulässige Vermischung mit einer fiktiven Abrechnung vor.
e) Findet eine Ersatzbeschaffung unter dem Wiederbeschaffungswert statt - diese Fälle treten dann auf, wenn der Netto-Kaufpreis für das Ersatzfahrzeug tatsächlich unter dem vom Sachverständigen ermittelten Netto-Wiederbeschaffungswert liegt - gilt gemäß der Rechtsprechung des BGH ebenfalls der Grundsatz, dass der Geschädigte entweder auf Basis der fiktiven oder auf Basis der konkreten Kosten einer Ersatzbeschaffung abrechnen kann. Eine Mischung der beiden Abrechnungsarten ist jedoch nicht zulässig.
Insofern wären in diesen Fällen bei einer Abrechnung auf tatsächlicher Basis nur die tatsächlich angefallenen Kosten zu berücksichtigen. Den "restlichen" fiktiven Wiederbeschaffungswert würde der Geschädigte in diesem Fall nicht mehr erhalten.
(wdc, 20.02.2016)